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Das Musik Ordnung ist, war mir irgendwie neu. Das sagte neulich mein Musiklehrer zu mir. Ja, mit nun 48 Jahren lerne ich Klavier spielen.

Nein, nicht einfach so. Mein Sohn träumte vor 2 Jahren davon und kaufte sich ein edles E-Piano und nahm Klavierunterricht. Meinen Sohn fiel es ende des ersten Musikschuljahres ein, das er keinen Bock auf Klavier spielen hat. Leider war da schon die Kündigungsfrist vorbei und das weitere Jahr musste bezahlt werden.

„Und wer zahlt das Ganze?“ fragte ichihn. “Ja ich nicht!“ ließ mein Sohn locker verlauten. Nun, man sollte von einen 20-jährigen etwas anderes erwarten. Was soll´s, Mama wird das schon richten.

So kam ich zum Klavierunterricht. Nicht, das mir das fremd wäre. Ich hatte in meinen jungen Jahren 10 Jahre Orgelunterricht.

Nun saß ich am 30.10.20 beim Klavierunterricht und spielte zum Aufwärmen ein Lied das ich eigentlich kann. Nur heute holperte es gewaltig.

Mein Klavierlehrer lebt Klavier und bat mir sehr viel Lehrmaterial an. Heute konnte ich ihm nicht folgen und es wurde alles nur noch schlimmer. Ich hing an vier Takten fest. Mein Klavierlehrer meinte dazu: “Ja ich bin ein bisschen streng, doch es muss sein. Jetzt üben wir jeden Takt einzeln und erst die Rechte und dann die Linke und dann gemeinsam.“

Mein Kopf rauchte, meine Hände krampften. „Wehe ich schaue noch einmal zu den Tasten. Hören, Tasten fühlen, kombinieren, weich sein.“ forderte mein Klavierlehrer.  Damit war ich heute einfach überfordert.

Während der Übungszeit wurde mein Lehrer immer leiser. “Irgendwas ist mit ihnen heute nicht in Ordnung!” stellte er fest und erklärte mir: Das Musik und besonders Klavier spielen, Ordnung ist. Und wenn man nicht in Ordnung ist, kann man nicht Klavier spielen. Ich holte unter meiner Mund-Nasenmaske tief Luft. Eine Antwort konnte ich darauf nicht geben.

Vier Takte, 45 Minuten lang geübt.

Ich fühlte mich fix und fertig. Am Ende der Stunde sah er mich an und fragte mich, was mich denn so belaste: “Ist es gerade die Lage mit Covid?”

Ich konnte ihn nicht ansehen, denn das Klavierspielen hatte meine Schutzmechanismen außer Kraft gesetzt. Ich wollte losheulen, doch ich beherrschte mich.

Kurz und knapp antwortete ich: ”Ich habe ein Kosmetikstudio und mobile Fußpflege. Ich darf schon wieder nicht arbeiten.” Ich stand auf, packte mein Heft ein. Meine Tränen wollten raus, doch sie wurden weit runter gedrückt. In diesem Fall war ich froh einen Mundschutz zu tragen, damit ich nicht noch gezwungen lächeln musste.

Auf dem Weg nach Hause, klang der Satz: “Klavier spielen ist Ordnung.“  in mir nach.

Ja, das hatte ich an diesem Tag erfahren. Wenn man Musik spielt, kann man sich nicht mehr selbst belügen.

Denn diese 45 Minuten hatten mir gezeigt, wie es wirklich um mich bestellt ist.

Herzlichst, Sandra

P.S. Nachtrag: Es ergab sich, das der Klavierlehrer, wegen nicht einhalten der Covid-Pandemie-Regeln gegenüber seinen Schülern in der städtischen Musikschule fristlos gekündigt wurde. So erhielt ich anfang 2021 die Möglichkeit bei einem anderen Musiklehrer zu lernen oder ein Sonderkündigungsrecht, welches ich nutzte. Denn diesen Covid-Zirkus wollte ich keinesfalls unterstützen und einen Musiklehrer für Klavier zwei Meter hinter mir, hinter einer extra angefertigten Plexiglasscheibe, zu bezahlen. Wer sollte mir auf die Finger schauen? Wer sollte mir Fingerfertigkeit vorführen?

Abgesehen davon, war ich in dieser Zeit froh, statt Musikschulgebühren zu zahlen, das Geld für meinen Lebensunterhalt einsetzen zu können.

Vielleicht lerne ich ja in meinem nächsten Leben Klavier spielen. 😉